Die Story der Tortilla Farm

Wie alles begann

Seit 2010 leben wir, meine Frau Pricilla und ich, Harald Holtz, teilweise in Simbabwe und teilweise in Deutschland. Warum ausgerechnet in Simbabwe, mag man sich fragen. Nun gut, meine Frau ist dort geboren und aufgewachsen. Die erste Reise war im Grunde nur eine Besuchsreise zu ihrer Familie und war auch getrieben von grundsätzlicher Neugier.

Für mich war dies eine Reise von einem der reichsten Länder dieser Welt in eins der ärmsten Länder dieser Welt. Ich muss sagen, ich war schon beeindruckt bis erschüttert. Wenngleich das heutige Simbabwe, das in der Revolution von 1980 aus Rhodesien hervorging, einmal als Brotkorb des südlichen Afrikas bezeichnet wurde, ist es heute eines der ärmsten Länder dieser Welt. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 85%, die Lebenserwartung bei deutlich unter 50 Jahren, er herrscht permanenter Wassermangel, die Wirtschaft liegt am Boden.

Dies alles wäre ein guter Grund, um auf den Hacken kehrt zu machen, aber da gibt es noch die Menschen. Da war Mama Dube, das größte Herz Afrikas, meine Schwiegermutter. Alle ihre Kinder und viele andere Nichten und Neffen sind frühzeitig gestorben. Die Aidsrate dort liegt offiziell bei 28 % und gefühlten 50 %. Meine Frau ist die einzige Überlebende aus der Nachkommenschaft. Mama Dube hat sich dann all der Waisenaus der Familie angenommen und versucht, mit den schmalen Mitteln, die ihr zur Verfügung standen, für die Kinder Sorge zu tragen. Hierbei wurde sie von meiner Frau, die damals in Holland lebte und arbeitete, unterstützt.

Aber am 2. Januar 2012 hat das größte Herz Afrikas aufgehört zu schlagen.

Wir konnten nicht einfach wieder nach Deutschland fahren, die Kinder und Jugendlichen brauchten Hilfe. Es ist uns weitestgehend gelungen, die Situation jedes einzelnen Familienmitgliedes soweit zu verbessern, dass zumindest ein einfaches Leben möglich ist.

Mittlerweile ist ein zweiter Lebensmittelpunkt neben Ostfriesland in meinem Leben entstanden und der liegt in Bulawayo, der zweitgrößten Stadt in Simbabwe. Hier leben wir nun mehrere Monate im Jahr in einem Vorort und versuchen, unser eigenes Leben zu gestalten und so gut es geht, den Menschen dort, wie auch immer, zu helfen.

Nach vielen guten Erfahrungen und mindestens ebenso vielen Enttäuschungen haben wir gelernt, Hilfe muss nachhaltiger sein. Es entstand der Gedanke, eine Farm zu entwickeln, die zum einen Arbeitsplätze schafft und zum anderen Nahrungsmittel erzeugt. Die Idee der Tortilla-Farm war geboren.

Erster Versuch

Wir versuchten, ein uns zur Verfügung stehendes, dörfliches Grundstück von einem Hektar Größe landwirtschaftlich wieder nutzbar zu machen. Grundvoraussetzung für eine landwirtschaftliche Nutzung ist die ausreichende Versorgung mit Wasser. Niederschläge sind selten in Simbabwe und möglicherwiese auch durch Klimaveränderungen in den letzten Jahren noch geringer geworden. Regen ist nur von November bis Februar zu erwarten. Die Winterregen im September sind seit Jahren ausgeblieben, wodurch die Maisernten regelmäßig verdorrt sind und Hungersnöte hervorgerufen wurden.

Nach geologischen Untersuchungen haben wir dann einen Brunnen von 80 Metern Tiefe in den Granit bohren lassen, der entgegen der Voraussagen keine verwertbaren Wasservorkommen erschloss. Die Enttäuschung war riesig, und natürlich war der finanzielle Verlust auch ein Schlag ins Kontor. Für ein Dutzend oder mehr Afrikaner ist ein Traum geplatzt. Weiterhin muss das Wasser für Mensch und Tier umständlich und in ungenügender Menge von weit her herangetragen werden, und an Ackerbau ist nicht mehr zu denken.

Plan B

Nachdem wir den ersten Frust verdaut hatten, wurde Plan B in Angriff genommen. Wenn das Wasser nicht zu uns kommt, dann müssen wir halt zum Wasser hin gehen. Viel Zeit haben wir damit verbracht, ein passendes Stück Land zu finden, das zum einen brauchbare Rahmenbedingungen hat und zum anderen bezahlbar ist. Nach vielen Tausend filmreifer Savannenkilometer und zig Palavern und Behördenterminen haben wir dann doch das gefunden, was wir suchten: Sechs Hektar Afrika, mit eigenem Fluss, einer Staumauer, viel fruchtbarem Boden und der Option auf weiter angrenzende Flächen. Doch auch hier setzte mir unser Budget zunächst Grenzen. Wir tauften das Land in Anlehnung an John Steinbecks Roman „Tortilla-Flat“.

Das Projekt Tortilla-Farm ist auch das Handlungskonzept für das, was auf dem Grundstück geschehen soll.

Es sollen einige Häuser entstehen, damit die Farmarbeiter dort ein Zuhause finden. Sie werden nach den örtlichen Gepflogenheiten dort mietfrei wohnen und als Gegenleistung das Vieh hüten. Nach Fertigstellung der Wasserversorgung kann mit dem Gemüse- und Getreideanbau begonnen werden. Diese Leistungen werden im Tagelohn und nach Arbeitsanfall abgerechnet. Die aus der Viehwirtschaft (derzeit 6 Kühe und 28 Ziegen) und dem Feldfruchtanbau erwirtschafteten Erträge werden dann, soweit nötig, in weitere Anlagen und Gebäude, möglicherweise Grundstückszukäufe investiert. Ein Teil der Erträge soll für Schulgebühren, Schulkleidung, medizinische Versorgung und andere Bedürfnisse der Arbeiterfamilien ausgegeben werden. Ein Rückfluss der von mir eingesetzten Mittel findet nicht statt. Soweit der Plan.

Kurzerhand habe ich meine Rückreise nach Deutschland verschoben, weil zumindest die notwendige Brunnenbohrung noch fertiggestellt und ein kleines Wohnhaus erreichtet werden sollte. Die Brunnenbohrung war ein voller Erfolg, viertausend Liter pro Stunde sind nach den Ergebnissen der Pumpversuche dauerhaft möglich.

Das erste Wohnhaus ist in dem gesteckten Zeitrahmen leider nicht vollständig erstellt worden. Dennoch war es eine Freude, mit den lokalen Menschen das Bauwerk soweit zu errichten, dass nur noch das Dach fehlte. In dieser Zeit waren wir die einzigen Arbeitgeber im Umkreis von vielen Kilometern, und die Frauen und Männer haben mich mit ihrem Fleiß und ihrer Freude bei der Arbeit begeistert. Es war etwas traurig, dass ich gehen musste. Sie hätten gerne die Jobs behalten, weil es wohl die einzige und seltene Möglichkeit ist, etwas Geld zu verdienen. Mich jedoch zogen berufliche Verpflichtungen und eine Wirbelsäulenverletzung in die heimatlichen Gefilde zurück.

Um ein Gefühl für die Kostensituation zu geben, liste ich im Folgenden einige Preisbeispiele auf:

5 kg Maismehl (Grundnahrungsmittel für eine Person pro Woche) 7 USD
1 kg Rindfleisch (gibt es nur selten) 5 USD
1 kg Gemüse 4 USD
1 Paar Schuhe für Schulkinder 18 USD
1 Schuluniform 30 USD
Schulgebühr für 4 Monate 50 USD
1 Aidstest 8 USD
1 Brot 1 USD
1 Glas Billigmarmelade 4 USD
1 Tageslohn für einen Arbeiter 5 USD
1 Monatslohn für Hausangestellte bei freier Wohnung, Strom und Wasser 100 USD
1 Dose Rasierschaum (Dinge die die Welt nicht braucht) 19 USD
1 Flasche Whiskey 6 USD
5 Kubikmeter Wasser per Lkw 60 USD
1 Sack Zement 11 USD
50 Meter Brunnbohrung 6.300 USD
1 Solar-Pumpenanlage 8.700 USD

(1 Euro entspricht im Moment etwas 1,10 US Dollar)

Was weiter geschah

Aus gesundheitlichen Gründen musste ich in 2013 von Ostfriesland aus arbeiten. Fast täglich saß ich am Computer und zeichnete Häuser, Ställe, entwarf Wasserleitungen, Zaunanlagen und mailte diese Unterlagen zu meiner Frau nach Simbabwe. Sie besorgte Baustoffe, Arbeiter und kümmerte sich um Genehmigungen.

Jeder Stein, jeder Balken, jeder Sack Zement und jeder Nagel muss aus dem 25 km entfernten Bulawayo herangekarrt werden, entweder mit unserem eigenen kleinen Transporter, oder es wurden Lkw gemietet. Nebenbei mussten die Arbeiter, in den Spitzenzeiten waren bis zu 20 Arbeiter am Ort, mit Essen versorgt werden. Die Inspektoren der Baubehörde führten je Gebäude 5 Besichtigungen durch. Auch sie mussten jeweils aus dem 40 km entfernten Esigodini abgeholt und wieder zurück gebracht werden. Bis zum Ende des Jahres waren der Großteil der Gebäude, der Wasserleitungen und Zäune fertig gestellt.

Nach vier Monaten wurde ich aus dem Krankenhaus auf dem Rollstuhl entlassen. Nach weiteren Monaten und nachdem meine Gehfähigkeit soweit wieder hergestellt war,so dass ich nicht mehr rund um die Uhr auf ihre Hilfe angewiesen war, flog Pricilla auf mein Drängen wieder nach Simbabwe, um unser Projekt weiter zu führen.. Im August 2014 trat ich dann die Reise nach Simbabwe an. Ich habe gelernt, dass man auch auf Krücken perfekt Flugreisen unternehmen kann.

Nun endlich stand ich life vor unserem Projekt, das ich nur von meinen Zeichnungen, von Fotos und durch Pricillas Schilderungen kannte. Endlich ging es weiter. Während meiner Abwesenheit war durch Pricillas unermüdlichen Einsatz unglaublich viel in der Wildnis entstanden, dennoch gab es immer noch viel zu tun. Aber nun konnten wir mit vereinten Kräften die Dinge weitertreiben. Schon jetzt zogen die ersten Farmarbeiter ein, immer mehr Kühe, Ziegen und Federvieh bevölkerten die Farm, und auf den Feldern wurde das erste Gemüse und Mais gepflanzt.

Die Farm ist fertig

Fertig ist eine Farm nie, aber die wesentlichen geplanten Bauwerke und Anlagen sind Mitte Mai 2015, genau zwei Jahre nachdem wir das 6 ha Grundstück gekauft hatten, fertiggestellt.

Die wesentlichen Bauwerke sind:

tortilla-plan

  1. Arbeiterwohnhaus
  2. Pumpenhaus
  3. Haupthaus
  4. Huftierstall
  5. Geflügelstall
  6. Koch- und Waschhaus
  7. Reservoir
  8. Wasserturm
  9. Gazebo
  10. Feuerkochhaus

Natürlich gibt es darüber hinaus einen Brunnen, Wasserleitungen, eine Staumauer im Fluss, eine Kläranlage, jede Menge Zäune und Tore, eine taube Goldmiene, Pumpen, Generatoren und eine kleine Solaranlage für die Beleuchtung der Häuser.

Überschlägig haben wir etwa 28.000 Steine verbaut, dazu knapp 500 Sack Zement verbraucht und gut 50 Tonnen Gravel, Sand und Kies benötigt.

Der Zaunbau erforderte etwa 12 km Stacheldraht, 1.500 Meter Maschendraht und reichlich Stahl- und Holzpfähle.

Gut 1.000 Meter Wasserleitungen für die Gebäudeversorgung und weitere 350 Meter für die Feldbewässerung wurden verlegt.

Hunderte von Grasbüscheln für die Dächer, dazu hunderte von Balken, zum einen für die Dächer und auch für den Zaunbau fanden ihren Platz.

Für den Bau haben wir so wenige Maschinen eingesetzt wie nur irgend möglich, es gab weder Bagger noch Mischmaschinen oder Kräne. Dafür haben wir etliches an Schubkarren, Schaufeln und Pickhacken ruiniert. Sicherlich waren es weit über 20.000 bezahlte Arbeitsstunden, was in der Bauphase viele Familien ernährt hat.

Derzeit wohnt der Farmleiter mit seiner Frau und drei Kindern auf der Farm und hält den Winterbetrieb aufrecht. Zeitweise ist die Einstellung von Tagelöhnern erforderlich.

Er versorgt unsere 4 Kühe, 6 Schafe, 18 Ziegen, 17 Puten, 2 Dutzend Hühner, 4 Gänse, 8 Enten, 2 Pfauenpaare, Hund und Katze und was sonst noch so kreucht und fleucht. Leider hat eine Geflügelpest Ende April annähernd den gesamten Geflügelbestand dahingerafft. Einer der traurigsten Tage in der kurzen Geschichte der Tortilla-Farm. Zu allem Überfluss wurde unsere Hofkatze in der folgenden Nacht von streunenden Hunden getötet, nicht jeder Tag ist lustig.

Weiter bedrängt uns ein anderes Problem, das mittelfristig gelöst werden muss. Zwar haben wir einen guten Brunnen bohren lassen, der bei einer Tiefe von 50 m mit reichlich Wasser versorgt, jedoch wird die Brunnenpumpe mit einem Generator betrieben, da ein öffentlicher Stromanschluss nicht bezahlbar ist. So fallen monatlich über 300 Euro an Brennstoffkosten an, wenn wir sparsam sind. Deshalb bewirtschaften wir auch nur einen Teil der möglichen Ackerflächen.

Bei etwa 3.000 Sonnenstunden in etwa 1.300 Metern und einer Luftfeuchtigkeit von unter 30% ist eine Photovoltaikanlage das Mittel der Wahl. Zwar gibt es in Simbabwe Solarpanele und geeignete Batterien, jedoch sind darüber hinaus kaum brauchbare Konverter und andere Komponenten vorhanden. Einfach eine Anlage importieren klingt plausibel, klappt aber nicht, weil die Logistik völlig am Boden liegt. Letztlich ist das alles mit erheblichen Kosten verbunden. Ich gehe von einem Finanzbedarf von mindestens 15.000 Euro aus.

… und weiter?

Bisher haben Pricilla und ich das Projekt aus unseren Ersparnissen finanziert. Aus den Schilderungen ist unschwer zu erkennen, dass wir neben viel Herzblut und Arbeit auch einiges an Geld in die Sache gesteckt haben, weil wir wissen, dass das, was wir investieren, auch bei den Menschen vor Ort ankommt. Abgesehen von einigen notwendigen technischen Anlagen ist die Produktion auf Low-Tech ausgelegt. Bei einer Arbeitslosigkeit von 90 % ist Rationalisierung nicht zielführend. Nur in Ausnahmefällen helfen wir durch Geldleistungen, z.B. für Schulgebühren, medizinische Notfälle oder manchmal Nahrungsmittel, wenn die Betroffenen alt oder krank sind und nicht arbeiten können.
Darüber hinaus wollen wir so viele Arbeitsplätze wie möglich schaffen, und wenn wir zur Not nur Steine sammeln lassen oder der Wald gefegt wird. Es ist wichtig für die Menschen, dass sie sich nicht als Almosenempfänger fühlen, sondern erfahren, dass ihre eigenen Leistung sie ernährt und voran bringen kann. Nur so kann man einen Weg aus der über dreißigjährigen Agonie finden.

Es gibt vier Grundsatzregeln für alle, die auf der Farm arbeiten:

  1. Don’t lie (Nicht lügen)
  2. (Sister of rule 1) Don’t steal (Nicht stehlen)
  3. Work proper (Arbeite ordentlich)
  4. Don’t cut a tree (Baum ab nein danke)

Dies ist logisch, ist jedoch schwieriger als es sich zunächst darstellt. Tortilla ist ein Überlebenskonzept, eine große Aufgabe mit Erfolgen und Misserfolgen. Tortilla ist ein langfristig angesetztes Entwicklungskonzept mit durchaus pädagogischen und politischen Aspekten.

Jeder, der bei uns seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, wird nicht nach Europa fliehen, wird nicht entwurzelt.

Wenngleich es im Moment nur wenige Menschen sind, denen wir helfen können, so verstehen wir uns auch so, dass wir in staatsentlastender Weise für Europa arbeiten. Dennoch verweigert uns der Fiskus die Gemeinnützigkeit. Aber auch daran arbeiten wir.

Dennoch werden wir jetzt Geldspenden annehmen. Bisher haben uns Freunde in gewissem Rahmen mit Geldspenden weitergeholfen, die wir direkt in zusätzliche Hilfen umsetzen konnten. Insbesondere bezahlten wir davon über unser eigenes Budget hinaus Schulgebühren, Schuluniformen, Betten für Kinder, medizinische Untersuchungen und in Einzelfällen Nahrungsmittel und Kleidung.

Kann man helfen?

Ja, jeder zusätzliche Beitrag hilft enorm. Wir werden Sorge dafür tragen, dass es zu 100% dort eingesetzt wird, wo die Hilfe ankommen muss.

Dafür haben wir ein Spendenkonto eingerichtet:

Spendenkonto Tortilla-Farm

IBAN: DE83 2856 3749 0000 7951 05
BIC: GENODEF1MML
BLZ: 28563749
Bank: Raiffeisenbank eG Moormerland

Spenden über PayPal:

 

Gerne nehmen wir auch Vorschläge für die Verwendung, Tipps und Anregungen per E-Mail entgegen über info@tortillafarm.org, oder über unser Kontaktformular.